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Außenbezirke Empty
BeitragThema: Außenbezirke   Außenbezirke EmptyMo Aug 23, 2010 9:38 pm

Hier wohnen alle verstoßenen, alle die kein Geld haben. Direkt zwischen Müll und stillgelegten Fabriken. Der Fluss trennt sie von der Innenstadt.
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Außenbezirke Empty
BeitragThema: Re: Außenbezirke   Außenbezirke EmptyMo Aug 23, 2010 9:49 pm

Akina beobachtete wie das schmutzig-braune Wasser träge vorbei floss. Sie setzte sich auf die hüfthohe Mauer, die Kinder davon abhalten sollte ins Wasser zu fallen, und schwang ihre Beine darüber, sodass sie von der Brücke baumelten. Wie einfach wäre es jetzt einfach mit ihrem Hintern soweit vorzurutschten, dass sie kaum noch auf dem Geländer saß und sich einfach fallenzulassen. Zu einfach, dachte Akina und umklammerte die Kante, bis ihre Knöchel weiß vortraten. So ein Ende hatte sie nicht verdient.
Ihre Augen hingen förmlich an den Mustern die das Wasser bildete. Sie war fasziniert davon, wie etwas so einfaches wie Wasser – auch wenn es ziemlich dreckiges Wasser war – doch so schöne Muster bilden konnte. Plötzlich sah sie auf. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, deshalb war der ganze Zauber verschwunden. Der Himmel zog sich rasch zu und die Straßen leerten sich langsam. Hinter hier auf der Brücke waren kaum Autos, was ihr aber eigentlich recht egal war, denn sie scherte sich keinen Deut um die Leute und ihre Meinung. Wenn sie hier sitzen wollte, dann würde sie solang hier sitzen, bis es sie nichtmehr freute. Und was du davon denkst? Scheiß-egal.
Kalter Wind wirbelte ihre Haare auf und schnitt Akina durch ihre Kleidung. Sie rutschte tiefer in die Jacke und zog sich die Kapuze über den Kopf. Dicke Wolken hingen nun dort wo einen Moment zuvor noch Sonnenstrahlen die Luft erwärmt hatten.
Akina steckte ihre Hände in die Taschen und wandte ihren Kopf nach links. Dort am Rand der Innenstadt sah man kaum reiche Leute oder irgendwelche High-Society. Dort wohnte die Mittelschicht. Doch im Hintergrund sah man die imposanten Wolkenkratzer die nur aus Glas und Stahl zu bestehen schienen. Eine abrupte Kopfbewegung und sie alles was für sie in den letzten Jahren zuhause bedeutet hatte. Die stillgelegten Fabrikgebäude und die rostigen Zäune die einem zu einem leichten Einstieg verhalfen. Die heruntergekommenen Häuser, die ein sehr lustiger Politiker mal dahin gestellt hatte, in die aber niemand einziehen wollte – konnte, weil die Mieten so hoch waren, um die Baukosten wieder reinzuholen. Jetzt allerdings waren sie mit Schlössern versehen und mit Graffitis verschönert. Und so verschimmelten sie dahin.
Sie blickte wieder gen Himmel. Dort wurde man nicht in eine Schublade gesteckt. Nein, dort waren sie alle nett zueinander.
"Ich hoffe es geht euch gut da oben, und hoffe auch, dass ihr ab und zu mal zu mir runter blickt und sagt, dass ist unsere Tochter. Sie hat zwar Fehler gemacht, aber dennoch sind wir stolz auf sie." Flüsterte sie mit einem Lächeln im Gesicht und Tränen in den Augen.
Sie seufzte und wischte sich die Wangen trocken, was ein sinnloses Unterfangen war, denn es hatte bereits zu regnen begonnen. Akina schwang wieder ihre Beine über das Geländer und blieb einen Moment unschlüssig auf der Brücke stehen. Ohne einen Blick nach links zu wenden - somit zu ihren unerfüllten Träumen, bog sie nach rechts ab und vergrub ihre Hände in den Taschen. Sie setzte einen Fuß vor den anderen und durchschritt die Menschenleeren Straßen des Industriegebietes. Als hätte sie ein bestimmtes Ziel. Als sie am äußersten Rand der Stadt angekommen war, blieb sie nocheinmal einen Moment stehen und drehte sich wieder um.
Es sah alles so verlassen auf, und das liebte Akina so an diesem Bezirk, die Einsamkeit und Stille. Denn kaum noch welche von den Farbiken wurden noch benutzt. Der Wind wurde wieder etwas stärker und sie schauderte. Mit einem schulterzucken drehte sie sich wieder um und verließ die Stadt, die solange ihr Zuhause gewesen war. Sie wusste noch nicht genau, wohin sie gehen wollte und was sie dort machen wollte, aber das einzige was im Moment für sie zählte war das Gehen. Das bereitete ihr wenigstens die Illusion von Beständigkeit in ihrem Leben.

tbc: der Wald.
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BeitragThema: Re: Außenbezirke   Außenbezirke EmptyDo Aug 26, 2010 11:32 pm

pp: Ruine.

Akina wachte in ihrem derzeitigen Nachlager auf. Ihr Kopf brummte wie ein Bienenschwarm. Sie presste sich mit der flachen Hand gegen die Stirn um die Schmerzen irgrendwie zu unterdrücken. Sie sah sich in dem kleinen Büro um dass sie vorerst 'bezogen' hatte um. Es war in einem Gebäude direkt neben der Straße, die Fensterscheiben waren kaputt und außer einem Tisch war der Raum leer, aber dort war Akina halbwegs windgeschützt und konnte ihre wenig Habseligkeiten in Sicherheit wissen, wenn sie wiedereinmal ein bisschen schwarzarbeitete für essen oder trinken. Sie fand das was sie suchte. Eine kleine Tasche, die sie sich mal billig in einem dieser Secondhand-Läden gekauft hatte und blickte hinein. In diese zerfledderte Adidas-tasche passte Akinas ganzes Leben. Eine große Flasche Wasser, ein Satz Klamotten zum Wechseln, eine Brieftasche (leider leer) und ein altes, abgegriffenes Foto von ihren Eltern, je eine Hand auf Akinas Schulter. Das war zu schulbeginn gewesen. Mit ihrer Zahnlücke grinste sie frech in die Kamera und ihre Eltern lächelten wissend. Während sie die Flasche rauszog betrachtete sie nachdenklich das Foto. Sie kannte bestimmt schon jeden einzelnen Grashalm darauf beim Vornamen, aber sie konnte nie genug davon kriegen es anzusehen. "Warum musstet ihr sterben?" fragte sie wie so oft und stellte die Flasche auf den Tisch ab. Und wie immer bekam sie keine Antwort.
Sie schraubte die Flasche auf und schmiss das Foto zurück in die Tasche, nachdenklich nahm sie einen tiefen Schluck und schloss die Flasche wieder. Sie rollte die Decke zusammen und legte sie gemeinsam mit der Flasche ebenfalls in die Tasche. "Zeit für einen Tapetenwechsel." murmelte sie und platzierte den Schultergurt so, dass der Riemen nicht drückte.
Akina hatte sich schon vor langer Zeit angewohnt mit sich selbst zu reden, dass sie nicht vrrückt wurde, denn so konnte sie ihre Gedanken ausprechen und das gab ihr ein klein Wenig Sicherheit. Doch das tat sie nur wenn sie alleine war. In der Öffentlichkeit sollten die Leute nur das beste von dem Mädchen, dass in zerlumpten Klamotten und einer dunkelblauen New York Yankees kappe rumlief, denken. Bevor sie nach draussen ging, band sie ihre Haare noch zu einem Pferdeschwanz und steckte den durch das Loch der Kappe, sodass er hinten raussah und richtete die kappe so, dass man zwar ihre Augen, aber nicht ihre Stirn und damit die Narbe sehen konnte. "Auf auf und davon." sagte sie und grinste ihr Spiegelbild in der kaputten Scheibe an. Akina war schon immer ein Opitmist gewesen, also warum auch nicht, wenn sie ein komisches Mädchen zu einem 'gesegneten' Wesen ausgesprochen hatte. Sie verließ das Gelände, wie sie es betreten hatte. Durch ein Loch im Zaun, und ging runter zum Fluss, an die Brücke wo sie gestern gesessen ist. Doch diesmal ging sie nicht auf die Brücke sondern nahm einen Weg daran vorbei, runter zum Ufer. Dort gab es eine nette Bank von der man die Leute auf der Brücke perfekt beobachten konnte. Akina setzte sich und blickte auf das Wasser. Es war noch ziemlich dunkel und früh am Morgen, dichte Nebelschwaden hingen über dem fluss, aber genau das liebte sie so. Akina war schon als Kind Samstagmorgen um sechs aufgestanden, hatte French-Toast gefrühstückt und war raus in den Wald gegangen, um zu beobachten wie die Tiere erwachten und ihren Tag begannen. Doch hier war nichts mit Frühlingserwachen, die LKW's donnerten auch jetzt schon unablässig über den Asphalt und hupten gelegentlich. Doch wenn man schon solange in der Stadt wohnte wie Akina konnte man das geschickt ausblenden. Sie legte ihre Tasche zwischen die Füße und betrachtete das Wasser.
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