Bell stütze sich auf die Brüstung ihres Balkons. Sie blickte mit unbewegtem Gesicht auf ihr Land. Auf ihre Untertanen. Direkt in die Dunkelheit. Der Palast erstreckte sich noch einige Dutzend Meter unter ihr und endete schließlich in einem Burggraben. Vor Jahren war Wasser darin gewesen, aber das hatte Bell wegschaffen lassen, denn darin haben sich Fische und Insekten eingenistet, neues Leben! Ein Dorn im Auge der Herrscherin. Außerdem würden die Menschen und die Dreamer nie hier auftauchen, das Portal ging nur in die eine Richtung. Also war die sowieso ganz lächerliche Schutzmaßnahme vollkommen sinnlos. Bell ließ ihren Blick wieder in die Ferne schweifen. Am Horizont waberten einige Rauchwolken, die aus den Schornsteinen der Fabriken in den dunkeln Himmel geschleudert wurden. Ein kleiner Seufzer entfuhr ihr.
Es klopfte an der Tür. „Meisterin?“ fragte Hakura und Bell verkrampfte. Bell drehte sich mit fliegenden Gewändern um und mit ein paar schnellen Schritten war sie an der Tür wo Hakura bereits ihren Kopf ins Zimmer steckte. Bell riss die Tür auf, trat einen Schritt in den Flur hinein und schloss die Tür mit einem lauten Krachen. Alle waren sehr neugierig auf Bells Zimmer und sie war sehr bedacht darauf, dass ihre Gemächer nur für sie zugänglich waren. „was gibt es denn?“ fragte Bell und verschränkte ihre Arme. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte sie Hakura an. Sie war wohl das was Bell am ehesten als eine Freundin bezeichnen würde – wäre so etwas wie Freundschaft wichtig für Bell. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Luna etwas versetzt hinter Hakura stand. Nun schritt sie voran. „Wir haben schlechte Neuigkeiten für dich.“ Sagte sie mit fester Stimme, doch in ihren Augen blitze Unsicherheit auf. Ein schlechtes Zeichen. Genauso wie das Luna sie in der zweiten Person ansprach. Das tat sie sonst nur wenn sonst niemand da war. „Kein Geplänkel.“ Erwiderte Bell ruhig und sah zwischen Luna und Hakura hin und her. Bell war berüchtigt dafür, kurze und inhaltsschwere Sachen zu sagen, und man brauchte eine Weile bis man sich daran gewöhnt hatte. Luna holte tief Luft. „Die Dreamer schicken ihre Feen aus. Zu gleich drei Personen. Das hat es seit Jahren…“ sie überlegte einen Moment. „Das hat es noch nie gegeben.“ Schloss sie. Bell verkrampfte sich kurz, ließ sich aber nichts anmerken. Sie drehte sich um und ging zurück in ihr Zimmer und schloss hinter ihr lautstark die Tür. Sie setzte sich auf ein ausladendes dunkelrotes Sofa und blickte aus dem Fenster. Was hast du vor? fragte sie in Gedanken Angelotte, auch wenn sie es nie hören wird. Was hast du vor?